Fortbildung auf Augenhöhe
Am 17.01.2020 fand im AWO Lore- Agnes-Haus eine Fortbildung mit rund 70 Personen statt. Die Teilnehmenden waren die Gesundheitswegbereiter*innen des Liebes-Welten Parcours und weitere Gäste aus verschiedenen Beratungsstellen.
Das Thema war rekonstruktive Chirurgie, Female Genital Mutilation (FGM) und weibliche Geschlechtsmerkmale mit Dr. D. m. O’Dey.
In ihrer Einführung beschrieb Frau Meral Renz, Projektleiterin vom Liebes-Welten* Parcours, dass die Gesundheitswegbereiter*innen sich gut auf diese Fortbildung vorbereitet haben.
In den vorherigen Fortbildungen haben sie sich mit gesellschaftlichen Tabus, weiblicher Beschneidung im Vergleich zur männlichen Beschneidung und Umgang mit schwierigen Themen auseinandergesetzt.
Weiterhin wies Frau Renz auf die Notwendigkeit der Aufklärung über FGM hin, damit die Gesundheitswegbereiter*innen zum Thema FGM eine abgeklärte, sachliche Haltung entwickeln und in der Begleitung von betroffenen Frauen handlungsfähig bleiben.
Den Fachvortrag hielt Dr. D. m. O’Dey, der als Priv.-Dozent und Chefarzt in der Aachener Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie arbeitet.
Dr. D. m. O’Dey hat eine eigene Operationsmethode entwickelt, die nach weiblicher Genitalbeschneidung (FGM) entstandenen Verletzungen, Narben, etc. so rekonstruiert, dass betroffene Frauen schmerzfrei und mit wiedererlangtem sexuellem Empfinden körperlich und seelisch besser leben können.
Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Dr. D. m. O’Dey, dass es viele Worte für diese Praktik gibt und häufig die englische Abkürzung FGM für Female Genital Mutilation gebraucht wird. Weibliche Beschneidung klingt zwar harmloser, hilft aber Betroffenen darüber zu sprechen, denn oft empfinden Frauen sich nicht als verstümmelt. Die Begriffe bezeichnen die Entfernung oder Beschädigung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane- ganz oder teilweise.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 140 Millionen Frauen und Mädchen betroffen. Auch wenn das Hauptverbreitungsgebiet das westliche und östliche Afrika ist, werden nicht nur in 28 afrikanischen Staaten, sondern auch im Nordirak, in Kurdistan, im Oman, Jemen und Indonesien Mädchen zwischen dem Babyalter und der Pubertät an den Genitalien beschnitten.
Seine respektvolle Haltung „Frauen, die vom FGM betroffen sind auf Augenhöhe zu begegnen“, hat er demonstriert, in dem er die Zuhörer*innen auf gleiche Art und Weise einbezogen hat.
Allein das Zuhören und Sprechen über das tabubesetzte Thema FGM ist für viele schwierig, aber Dr. O`Dey ist es gelungen, medizinisch kaum geschulte Zuhörer*innen mit seinem Fachwissen, Haltung, Talent und Ausstrahlung, einzubinden.
Was diese Fortbildung auch sehr wertvoll machte, war seine politische Haltung zu FGM. Er hat klargestellt, dass es bei FGM um das Patriarchat und um Machtmissverhältnisse zwischen Männern und Frauen geht. Er ist auf die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Gründe eingegangen und hat einen Weg aufgezeigt, wie man wertschätzend mit dem Thema umgehen kann.
FGM als kulturelle Tradition- „man tut es, weil man es immer getan hat“-, verletzt Mädchen und Frauen körperlich und seelisch ohne jegliche Notwendigkeit.
Er hat mit dem Beispiel „verkrüppelter Füßen chinesischer und japanischer Frauen“, die aus einer Tradition entstanden war, welche als Schönheitsideal galt und heute nicht mehr praktiziert wird, gezeigt, dass man einige Traditionen ändern kann und muss.
Die Rückmeldungen waren rundum positiv. Vor allem die aus Subsahara stammenden Gesundheitsbereiter*innen fühlten sich verstanden und unterstützt.
Als Resümee kann gesagt werden, dass diese Fortbildung uns alle gestärkt hat mit dem Thema FGM weiterzumachen und weitere, noch konkretere Schritte zu entwickeln.
*Der Mitmachparcours „Liebes-Welten“ wurde im Lore Agnes Haus entwickelt und durch Stadt Essen im Rahmen des Strategiekonzeptes zu Themen HIV, STI, Sexuelle Gesundheit und Migration Interkulturelle Orientierung der gefördert.
Weiterführende Informationen Dr. med. Dan mon O’Dey, Chefarzt der Klinik für Plastische, Zentrum für Rekonstruktive Chirurgie weiblicher Geschlechtsmerkmale, Evangelischer Krankenhaus Aachen: